E-Government – Herausforderungen auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung

Welche Herausforderungen gibt es auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung? Welche Rolle spielt Mitarbeiterführung im Zusammenhang mit E-Government und wie wird der Veränderungsdruck in der Verwaltung heute überhaupt wahrgenommen? Darüber sprachen wir diesmal mit Professor Dr. Dirk Furchert. Er ist Kommunikationswissenschaftler und arbeitet seit fast 20 Jahren in verschiedenen Führungsfunktionen in der Verwaltung einer deutschen Großstadt. Er ist nebenberuflich als Berater und Coach aktiv.

Prof. Dr. Dirk FurchertInterview-Reihe mit Prof. Dr. Dirk Furchert:

Teil 1: E-Government – Herausforderungen auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung
Teil 2: Vernetzte Verwaltung – Aufbruch im Spannungsfeld von regulierten Prozessen und Innovationsdruck

 

Teil 1: E-Government – Herausforderungen auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung

AviloX: Eine Ihrer Kernkompetenzen liegt im Wissensmanagement. Wie sind Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit bei der Stadt Halle zu diesem Thema gekommen?

Prof. Dr. Furchert: In 2003 wurde ich gefragt, ob ich das Themenspektrum rund um E-Government übernehmen möchte, nachdem ich in 1997 die Stadt Halle in meiner Funktion als Pressesprecher ins Internet gebracht habe. Ich habe mich schon immer dafür interessiert, wie wir die Möglichkeiten, welche die Technik uns bietet, so nutzen können, dass die Arbeit besser, preiswerter, effizienter und effektiver wird. Und dass sie idealerweise dem Menschen noch mehr Spaß macht.

AviloX: Neben Ihrer Tätigkeit bei der Stadt Halle haben Sie auch an der Hochschule Harz eine Honorarprofessur im Bereich Verwaltungsmanagement inne. Gibt es im Themenfeld der vernetzten Verwaltung einen Aspekt, der aus Ihrer Perspektive zu wenig im Fokus steht?

Prof. Dr. Furchert: Wir vermitteln in den Lehrplänen viel über Technik und Organisation. Aber wir tun viel zu wenig, um zu betrachten, wie Veränderungsprozesse in Organisationen funktionieren und wie Fach- und Führungskräfte mit Menschen umgehen sollten. Vielerorts herrscht der Glaube vor, dass man das einfach kann. Von Studenten kommt immer wieder die Rückmeldung, dass sie viel mehr über das Thema Mensch lernen wollen.

Das Thema Mitarbeiterführung ist gerade im Zusammenhang mit den Veränderungen zur vernetzten Arbeitswelt wichtig. Der Druck steigt, man wird mit Reizen überflutet. Umso wichtiger ist es, Mitarbeitern Orientierung zu geben und klar zu sagen, wohin die Reise gehen kann, damit die richtigen Prioritäten gesetzt werden. Es ist ebenso wichtig, unterschiedliche Werte zu diskutieren und Konflikte auszuhalten, damit am Ende die richtigen Interventionen gesetzt werden können. Eben Führung leben, aber nicht kontrollierend oder als „besserer Sachbearbeiter“. Menschen, die zusammenarbeiten, wissen schon ziemlich genau, was sie tun müssen, damit es ein gutes Ergebnis gibt. Was sie brauchen, ist eine klare Orientierung.

AviloX: Wie führen Sie persönlich? Welche Führungstechniken haben sich für Sie bewährt?

Prof. Dr. Furchert: Ich bin ein Freund systemischen Denkens und Führens. Es ist hochgradig interessant zu sehen, wie wir immer wieder sehr viel Energie aufwenden müssen, um Probleme zu lösen, weil wir an den falschen Stellen ansetzen und nicht die richtigen Hebel bedienen. In einer Organisation, die streng hierarchisch geführt wird, ist die Orientierung auf Fehlervermeidung ausgesprochen stark. Dadurch wird die Tendenz zum nicht-systemischen Führen noch verstärkt.

Für mich spielt auch Wertschätzung eine zentrale Rolle. Diese kommt in hierarchischen Systemen viel zu kurz. Nicht umsonst bildet sich in Deutschland gerade das Netzwerk der Heartleaders mit der Überzeugung dass „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ erzeugt wird. Immer wenn ich mit Wertschätzung führe, mache ich ausdrücklich positive Erfahrungen. Die Menschen sind dann bereit Dinge zu tun, zu denen sie unter normalen Voraussetzungen nicht willens oder in der Lage wären. Mit Wertschätzung lässt sich sehr viel bewegen, insbesondere in Organisationen, in denen Stress, Reizüberflutung und ständig wechselnde Prioritäten an der Tagesordnung sind.

AviloX:Wird die immer schwierigere Nachwuchsgewinnung die Verwaltung zukünftig unter Veränderungsdruck setzen?

Prof. Dr. Furchert: Ja, das spüren wir sogar schon heute. Und es ist absehbar, dass sich der Druck verschärfen wird. Wir reden dabei nicht nur von jungem Nachwuchs. Da zählen Menschen jeden Alters hinein, weil schließlich alle miteinander um die gleichen guten Fachkräfte ringen.

Ein weiterer Veränderungsdruck entsteht, weil der Verwaltung immer weniger Geld zur Verfügung steht. Wenn Sie unter diesen Bedingungen Leistungseinschränkungen vermeiden wollen, müssen Sie die Hintergrundprozesse anders auf die Beine stellen. Wir reden hier von Verdichtung und Beschleunigung. Dies hat aber auch ganz klar seine Grenzen, schließlich haben wir es in der Fallbearbeitung immer mit Menschen zu tun. Da lässt sich nicht alles automatisieren wie das Verkaufen von Fahrkarten.

AviloX: Kommen die Menschen überhaupt noch mit bei so viel Veränderung?

Prof. Dr. Furchert: Als wir unseren aktuellen E-Government Masterplan aufgestellt haben, haben wir uns genau diese Frage gestellt. Die Verwaltungswelt ist sehr komplex und Verwaltungsvorgänge können auch nur bedingt vereinfacht werden. Ein Bescheid ist immer gebunden an die Regularien, die das Gesetz vorschreibt. Aber was ich tun kann, ist Zugänge zu erleichtern. Das Bürgertelefon 115 oder der elektronische Lotse auf der Homepage spielen dabei mit ihrer Orientierungsfunktion eine zentrale Rolle.

In unserer Diskussion zum E-Government-Masterplan sind wir letztendlich bei den drei Begriffen „einfach, effizient, elektronisch“ gelandet. Wir wollen die Möglichkeiten, die uns Technik bietet, ausschöpfen und den Bürgerinnen und Bürgern Angebote machen, die sie mit nutzen können, ohne dass sie dafür extra ins Rathaus gehen müssen. Das funktioniert aber nur, wenn wir gleichzeitig die Komplexität so funktionabel machen, dass sich weder die Bürger noch unsere Mitarbeiter darin verheddern. Bei allem, was wir tun, achten wir darauf, diesen drei Aspekten gerecht zu werden.

 

Weiterführende Links:

heartleaders.de – das Business-Netzwerk für Menschen mit Haltung

Der demografische Wandel verändert E-Government auf http://www.egovernment-computing.de

Das E-Government-Gesetz ist da / Teil 3: Herausforderungen in der Umsetzung für die Verwaltung auf www.publicplan.de


AviloX unterstützt Organisationen im Wandel zum Enterprise 2.0. In unserem Interview-Blog zu vernetzten Arbeitswelten gehen wir mit unserem Netzwerk in den Dialog – zum Voneinander lernen, Tipps und Tricks zur Etablierung moderner Arbeitswelten austauschen und Wissen weiterentwickeln. Ob Social Collaboration, Wissensmanagement, Open Innovation, Social Learning oder Industrie 4.0 – gern begleiten wir auch Sie als kompetenter Partner auf Ihrem Weg zum Enteprise 2.0. Mehr über uns erfahren Sie hier.


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Bildnachweis:  Lindas Fotowelt  / pixelio.de

Über den Autor: regina

Von Erstellt am 11. April 2014Kategorien: AviloX-Blog, InterviewKommentare deaktiviert für E-Government – Herausforderungen auf dem Weg zur vernetzten VerwaltungSchlagwörter: , ,