Vernetzte Verwaltung – Aufbruch im Spannungsfeld von regulierten Prozessen und Innovationsdruck

Unter welchen Bedingungen lässt sich die Idee einer tatsächlich vernetzten Verwaltung realisieren? Was ist nötig um zwischen dieser Vision und der zumeist tatsächlich anzutreffenden Situation eine Brücke zu schlagen? Im zweiten Teil unseres Interviews mit Prof. Dr. Dirk Furchert gehen wir diesen Fragen nach. Prof. Dr. Furchert ist Kommunikationswissenschaftler und arbeitet seit fast 20 Jahren in verschiedenen Führungsfunktionen in der Verwaltung einer deutschen Großstadt. Er ist nebenberuflich als Berater und Coach aktiv.

Prof. Dr. Dirk FurchertInterview-Reihe mit Prof. Dr. Dirk Furchert:

Teil 1: E-Government – Herausforderungen auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung
Teil 2: Vernetzte Verwaltung – Aufbruch im Spannungsfeld von regulierten Prozessen und Innovationsdruck

 

Teil 2: Vernetzte Verwaltung – Aufbruch im Spannungsfeld von regulierten Prozessen und Innovationsdruck

AviloX: Die Vision der vernetzten Verwaltung und die vielerorts vorherrschenden streng hierarchischen Systeme stehen doch im Widerspruch zueinander. Wie kann man denn da die Brücke schlagen?

Prof. Dr. Furchert: Verwaltung stellt in speziellen Situationen immer wieder sehr imposant unter Beweis, dass sie hervorragend interagieren, kommunizieren und zusammenarbeiten kann. Ein sehr gutes Beispiel war die Hochwasserkatastrophe in 2013. Da konnte man feststellen, wie vernetzt Verwaltung auf einmal sein kann. Nicht nur unter sich, sondern auch in ihrem Rollenverständnis als Netzwerkpartner gegenüber Dritten.

In solchen Situationen sind natürlich die üblichen Spielregeln außer Kraft gesetzt. Entscheidungen werden schneller getroffen als in einem klassischen politikgesteuerten Verwaltungssystem, bei dem man auf Grund der hohen Komplexität wichtige Entscheidungen angemessen langsam voranbringen muss, um Fehler zu vermeiden.

Ein Stück von der Idee der vernetzten Verwaltung kann dauerhaft entstehen, wenn die politischen Entscheidungsträger klare Zielorientierungen vorgeben und wenn das Vertrauen zunimmt. Der öffentliche Dienst hat leider ein schlechtes Ansehen. Dahinter steht das Bild des behäbigen unbeweglichen Beamten. Das ist sehr bedauerlich, weil etliche meiner Kollegen jeden Tag ihr Bestes geben, aber dafür nicht die Wertschätzung erhalten, die ihnen gebührt.

AviloX: Müsste man häufiger künstliche Hochwassersituationen schaffen? Man hat hier diese Kraft gespürt von allen Akteuren. Alle haben angepackt für eine gemeinsame Sache, die emotional sehr berührt hat. Wäre das ein Weg, um auch in einer Verwaltung diese Erlebnisse zu schaffen, dass innerhalb kurzer Zeit etwas erfolgreich auf den Weg gebracht werden kann?

Prof. Dr. Furchert: Die Lösung dieser Fragen besteht nicht darin, Regeln außer Kraft zu setzen. Klare Zielorientierung, Wertschätzung, offene Kommunikation und Lernen aus Fehlern und konstruktiver Umgang mit Konflikten – das sind die zentralen Fragen. Warum reagieren Mitarbeiter relativ „starr“ im Öffentlichen Dienst? Weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen. Warum haben sie Angst, einen Fehler zu machen? Weil sie dann nach außen vorgeschoben werden.  Das Mediensystem spielt als Transporteur eine ganz zentrale Rolle.

Es braucht klare Vorgaben, aber gleichzeitig auch eine Kultur, die spielerischer und experimentierfreudiger ist. Eine Kultur, in der das, was auf Arbeitsebene geleistet wird, auch gesehen wird. Eine Kultur, in der man die Flut der Tagesaufgaben mit einer klaren Richtung bewältigt. So kann man Verwaltung bewegen!

AviloX: Kennen Sie Beispiele anderer Kommunen, wo die von Ihnen beschriebene Verwaltungskultur bereits gelebt wird?

Prof. Dr. Furchert: Es hängt immer an den handelnden Personen. Es gibt kein Werkzeug, das man aus der Schublade ziehen kann. Einzig entscheidend ist, wie die Menschen eingestellt sind, mit welchen Augen sie in die Organisation hineingehen und wie weit ihr Erfahrungshorizont ist. Diesbezüglich sind die Reifegrade der Verwaltungen sehr unterschiedlich.

AviloX: Gibt es ein Projekt der Stadt Halle, welches Sie als Leuchtturm besonders hervorheben würden?

Prof. Dr. Furchert: Ja unbedingt! Das war der Prozess, wie wir eine Strategie entwickelt haben zur Verwaltungsmodernisierung mit e-Government. Klassischerweise werden Masterpläne erstellt, die sich sehr auf die technische Ebene beziehen. Wir sind an diese Fragestellungen schon 2006 und jetzt noch stringenter immer mit der Frage nach dem Sinn herangegangen. Was tun wir da, wem nützt es und wie können wir es so kommunizieren, dass es nach draußen Bestand hat? Mit unserer Vorgehensweise haben wir wirklich einen Leuchtturm geschaffen, was uns mehrfach von außen bestätigt wurde.

Weiterführende Links:

heartleaders.de – das Business-Netzwerk für Menschen mit Haltung

Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung vom BMI

Sendereihe Rathaus 2.0 – Was aus den großen Versprechen des E-Governments in Kommunen geworden ist auf deutschlandfunk.de


AviloX unterstützt Organisationen im Wandel zum Enterprise 2.0. In unserem Interview-Blog zu vernetzten Arbeitswelten gehen wir mit unserem Netzwerk in den Dialog – zum Voneinander lernen, Tipps und Tricks zur Etablierung moderner Arbeitswelten austauschen und Wissen weiterentwickeln. Ob Social Collaboration, Wissensmanagement, Open Innovation, Social Learning oder Industrie 4.0 – gern begleiten wir auch Sie als kompetenter Partner auf Ihrem Weg zum Enteprise 2.0. Mehr über uns erfahren Sie hier.


Haben Sie selbst ein Thema im Zusammenhang mit Social Software, das Sie interessiert? Oder möchten Sie uns einen geeigneten Interviewpartner empfehlen? Dann treten Sie gern mit uns in Kontakt.

Bildnachweis: manoftaste.de / flickr.com

Über den Autor: regina

Von Erstellt am 17. April 2014Kategorien: AviloX-Blog, InterviewKommentare deaktiviert für Vernetzte Verwaltung – Aufbruch im Spannungsfeld von regulierten Prozessen und InnovationsdruckSchlagwörter: , , ,