“Wieso noch lernen, macht doch eh bald die KI.“

Wie revolutioniert KI unsere Schule?
Interview mit Clemens Fuhrbach (Autor, Wissenschaftler und Lehrer aus Köln)
Ein Beitrag zur Themenserie KI & Co.: Wie smarte Tools unsere Arbeitswelt verändern von Isabelle Schemion
Hallo Clemens, der Hype um KI-Tools wie ChatGPT ist gerade in vollem Gange. Du arbeitest seit einiger einiger Zeit an der Universität und an Schulen. Gerade bist du an einer Berufsschule in Köln. Ist das Thema da schon angekommen?
Absolut. Ich glaube, es war Anfang oder Mitte Februar, da kam plötzlich eine Mail mit dem Anhang „Handlungsleitfaden KI“ über unseren Verteiler. Kurz darauf hatten wir dann bereits die erste Fortbildung. Das ging dieses Mal wirklich schnell, wenn man bedenkt, dass das ja alles erst im Herbst 2022 losging.
Worum ging es in dem Leitfaden?
Es ging vor allem darum, das Thema an den Schulen zu verankern, denke ich. Die Kultusministerkonferenz hat 2016 schon eine Strategie zur Bildung in der digitalen Welt entwickelt. In dem Begleitpapier dazu steht im Prinzip drin, dass man an den Schulen bis 2021 einen minimalen Standard an digitaler Infrastruktur schaffen solle und Fortbildungen in den Kollegien ansetzen müsse. Es wurde einiges in Gang gesetzt, aber dann kam Corona. Die Umstände änderten sich einfach wahnsinnig schnell…
Aber hat die Pandemie die Digitalisierung als Thema der breiten Bevölkerung nicht verstärkt ins Bewusstsein gerufen? Sind das jetzt nicht gute Voraussetzungen? Und was müssen Lehrkräfte denn jetzt lernen oder verändern?
Einer der wichtigsten Punkte ist sicher, dass die Veränderung alle betrifft. Für uns ist das alles genauso neu wie für die Schülerinnen und Schüler. Ein gewisses Maß an digitalem Verständnis und „KI-Kompetenz“ wird zur Grundlage. Nicht nur die Schülerinnen und Schüler müssen sich den modernen Anforderungen stellen, auch das Lehrpersonal muss hier am Ball bleiben und darf den Anschluss nicht verlieren.
Welche Aufgaben machen die Schülerinnen und Schüler denn schon mit Tools wie ChatGPT? Und: Dürfen sie das denn überhaupt?
Man hört schon oft so Aussagen wie: „Ach, warum soll ich das noch lernen, das macht doch eh bald die KI!“ Das geht bei kurzen Schreibaufgaben los und endet dann bei E-Mails und Bewerbungen. Wir haben zum Beispiel in einer Stunde mal einen Leitfaden zu Arbeitszeugnissen erstellt und ein Schüler hat den dann direkt mit der KI geschrieben. Der war gar nicht schlecht. Ich fand das auch smart… Aber es gibt eben auch Leute, die ihre Bewerbungen mit der KI schreiben wollen und dann selbst nicht mehr wissen (oder verstehen) was drinsteht.
Wissen, was drinsteht, das ist eine gute Überleitung: wissen die Lehrerinnen und Lehrer denn noch, was sie beispielsweise in den Hausaufgaben abgeliefert bekommen?
Nicht immer, aber im Prinzip ist es egal, ob sich Schüler:innen etwas aus dem Internet zusammenkopieren oder ob es die KI für sie übernimmt. Man sieht in der Regel schon, ob sich da jemand Gedanken gemacht hat. Dann sind die Texte nicht so oberflächlich, sie passen besser zur Aufgabenstellung. Und wenn jemand die eigene Arbeit durch neue Werkzeuge beschleunigt, dann ist da doch gar nichts gegen zu sagen.
Also du stehst dem Thema aufgeschlossen gegenüber, wie ich vermute. Setzt du denn schon KI-Tools im Unterricht ein, um den Schülerinnen und Schülern den effektiven Umgang mit KI zu vermitteln?
Um das konsequent einzusetzen, müssten noch einige Hürden abgeräumt werden. Ich bin an einer gut ausgestatteten Schule, das ist längst nicht überall der Fall. Oft ist die digitale Infrastruktur noch nicht so gut, dass man unbeschwert mit der Technik arbeiten kann. Hinzu kommt die Datenschutz-Problematik, im Prinzip sind alle externen Anbieter für die Schule unbrauchbar, weil die Personendaten zum Profiling genutzt werden können. Das heißt auch, man braucht bei Minderjährigen zumindest die Zustimmung der Eltern. Das ist im Alltag dann doch oft schwer umzusetzen…
Benutzt du selbst denn schon KI-Tools in deiner Vorbereitung? Schreibst du deine Arbeitsblätter oder die Texte für PowerPoint-Folien über die KI?
Bislang nicht, aber ich teste das natürlich aus. Spannend finde ich, dass man seine eigenen Texte gegenprüfen kann. Also ich denke mir irgendwas aus oder ich schreibe etwas zusammen und dann lasse ich die KI auch etwas schreiben. Das kann ich dann vergleichen, das ist ganz gut.
Wenn wir uns in zehn Jahren wieder sprechen, was meinst du, wie hat sich die Schule dann verändert?
Du wirst dich sicherlich wundern, aber: Ich bin kein Prophet. (zwinkert) Ich versuche inzwischen zudem sehr realistisch zu bleiben und pragmatische Perspektiven zu entwickeln. Die Schule ist grundsätzlich ein recht stabiles System, man braucht nicht viel. Eine Tafel, ein gutes Thema und dann ist der persönliche Kontakt total wichtig. Das hat die Pandemie gezeigt, wie sehr die sozialen Beziehungen fehlen. Das kann keine Maschine ersetzen. Deshalb werden wir die Schule in zehn Jahren vermutlich auch dazu nutzen, um uns auszutauschen. Dann werden wir allerdings die KI-Tools nutzen, wie wir heute Suchmaschinen benutzen oder Word.
Und wie stellst du dir die Schule der Zukunft vor? Gibt es da überhaupt noch Lehrer:innen?
Hoffentlich! Dass die KI uns Lehrer:innen ersetzt, wäre für mich ein dystopisches Bild. Ich bin da viel optimistischer: Wir alle werden lernen die Technik richtig zu bedienen und sie effizient für unsere Zwecke zu nutzen – wir erarbeiten uns gerade sozusagen gemeinsam unsere #Zukunftskompetenz. Unsere Rolle als Lehrende wird sich aber insofern verändern, als dass wir den Schülerinnen und Schülern die nötigen Kompetenzen für einen effektiven Umgang mit KI vermitteln. KI wird Einzug in unseren Alltag halten, da gibt es kein Zurück mehr. Und die Schule kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie Schülerinnen und Schüler auf die Zukunft mit KI vorbereitet. Außerdem: wenn kein Lehrer mehr da ist, dann kann man sich ja auch nicht mehr über irgendwen aufregen…
Danke, Clemens – Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt!
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