Hallenser Fahrradladen auf dem Weg zu New Work

Organisationsentwicklung im Fahrradies – „Damit die Schmiere im Team wieder da ist“

Das Fahrradies ist, wie der Name andeutet, ein Paradies für Fahrradfahrer:innen. In  jüngster Zeit kam es in dem Fahrradgeschäft sowohl durch externe Faktoren als auch interne Umstrukturierungen zu vielen Veränderungen, die sich teils  belastend auf die  Team-Arbeit ausgewirkt haben. Das Fahrradies-Team ging daraufhin in einen ausgesprochen offenen Diskurs und führte spannende Methoden ein, um sich gemeinsam auf den Weg in eine neue Arbeitskultur zu machen: “Damit die Schmiere im Team wieder da ist“, so Verkaufsleiter Nils Unger.

Das Fahrradies im stetigen Wandel

„Das Fahrrad ist stetig auf dem Vormarsch“, heißt es von Geschäftsführer Thomas Barth. Die Pandemie habe das sogar noch verstärkt. Das Angebot an Fahrrädern wächst und wächst. Um das ganze Repertoire an Rädern auszustellen, diese individuell anpassen und reparieren zu können, bedarf es Platz. Daher erweiterte sich das Fahrradies bereits im Jahr 2019 um ein neues Verkaufsgebäude, wofür der bereits bestehende Altbau mit einem daranlegenden Neubau verschmolzen wurde. Neben der reinen Vergrößerung wurde aber auch stilistisch umdesignt und modernisiert. Der alte Laden wurde so zur offenen und transparenten Fahrrad-Werkstatt.

Die Neuerungen forderten auch intern strukturelle Umgestaltungen und gleichermaßen mentales Wachstum des Teams. In einer offenen Werkstatt charakterisiert sich die Arbeit schließlich nicht mehr nur durch die reine Reparatur der Räder, sondern auch durch Interaktion mit Kund:innen. Gleichermaßen fordert auch die Arbeit im Verkauf durch die hohe Nachfrage kombiniert mit individuellen Kundenwünsche reibungslose Prozesse und täglich eine effektive Performance.

Barth wagte daher den Schritt, die Öffnungszeiten seines Fahrradgeschäfts radikal zu verkürzen, um die Qualität des Arbeitens und Zusammenarbeitens zu sichern. „In der dadurch verbleibenden Zeit, sollte der Fokus vor allem auf Prozessoptimierungen der Arbeitsabläufe gelegt werden“. Doch das schien, wie sich herausstellte, leichter gesagt als getan: Die zahlreichen Veränderungen, die damit einhergehenden neuen Anforderungen, die eigentlichen Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden und die Vision, die Barth vorantreiben möchte, schienen teilweise zu variieren oder sich in verschiedenen Geschwindigkeiten zu entwickeln. Umstände, die auf Dauer auf die Stimmung im Team drückten und damit die erwünschte Transformation und Prozessoptimierungen bremsen.
So schien es an der Zeit, offen miteinander zu reden und Diskrepanzen zu lösen.

Mehr Transparenz, Gesprächsbereitschaft und Gemeinschaftlichkeit

Mit der Unterstützung von AviloX führte der Geschäftsführer drei Team-Tage mit seinen Mitarbeitenden durch. Am ersten Tag wurde dem Team Werkstatt Zeit und Raum gegeben, Wünsche und Störfaktoren, die sie in ihrem Arbeitsalltag wahrnehmen, zu artikulieren. Am zweiten Tag bekam das Team Verkauf die gleiche Möglichkeit. An Tag drei trafen sich dann alle Mitglieder aus beiden Teams in gemeinsamer Gesprächsrunde.

Die Team-Tage haben sich zunächst wie eine „Statusmeldung von allen“ angefühlt, beschreibt Mitarbeiter und Verkaufsleiter Nils: „Wie geht’s den Leuten, wie ist die Stimmung, gibt’s da etwas, was vor sich hin gärt?“.

Und tatsächlich konnten nach einigen Stunden einige Knackpunkte identifiziert werden. Besonders war, dass Tabu-Themen wie eigene Ängste und Probleme mit Arbeits-Konventionen nicht in eins zu eins Gesprächen, sondern transparent in der ganzen Gruppe besprochen wurden. So konnten die Bedürfnisse und daraus resultierenden Verhaltensweisen der Mitarbeitenden und auch der der Geschäftsführung für alle greifbar und verständlich gemacht werden.

Milan Behrens, der beim Fahrradies in der Werkstatt tätig ist, bemerkt dahingehend eine „Offenheit von beiden Seiten“. Zum Einen, weil beispielsweise das Team Werkstatt ihre Wahrnehmung der Forderungen der Geschäftsführung klar äußern konnte. Zum Anderen, weil die Geschäftsführung ein Gespür dafür entwickelte, wie genau jene Anforderungen mit den Team-Bedürfnissen kompatibel gemacht werden könnten, so dass man sich doch gemeinsam, und weitestgehend intrinsisch, in die gleiche Richtung bewegen kann.

Als Wunsch oder Bedürfnis vieler Mitarbeitender beschreibt Nils schließlich dass „die Arbeit der Teams nicht mehr weiter auseinander driften, sondern vielmehr wieder ein Hand-in-Hand denken Einzug erhalten“ soll.

Das Fahrradies macht sich demgemäß weiterhin auf den Weg zu mehr Transparenz und mehr Gemeinschaftlichkeit. Das Team-Werkstatt moderiert nun beispielsweise die wöchentlich angesetzten Planungs- und Retrospektiven des Verkaufsteams, das Verkaufs-Team übernimmt gleichermaßen die Moderation beim Team-Werkstatt. Zusätzlich gibt es ein Moderationsteam, das Teamtage begleitet und mit der Geschäftsführung und unter Einbezug aller Mitarbeitenden Themen der Organisationentwicklung vorantreibt.
Partizipativ und im stetigen Austausch.

Wir sind begeistert, dass sich das Fahrradies-Team in einen so offenen Diskurs gewagt hat und dabei Maßnahmen identifizieren konnte, mit denen für mehr Gemeinschaftlichkeit gesorgt werden kann. Habt Ihr in Euren Organisationen ähnliche Erfahrungen gemacht oder das Bedürfnis, in offenen Gesprächen Unausgesprochenes ansprechbar zu machen? Schreibt es uns gerne in die Kommentare.

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