Gewählt statt bestellt

Kollegiale Rollenwahl

Weiterentwicklung der Rollen und Organisations­struktur bei AviloX

We did it again! Unsere Organisation entwickelt sich seit Gründung evolutionär weiter. In den vergangenen acht Jahren gingen und gehen wir klare Schritte hin zu einer kollegialen Organisation mit verteilter Führung. In unserer Organisationsentwicklung spielt die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter:innen eine immer größere Rolle. Nun haben wir den nächsten großen Schritt gemacht und die Struktur sowie die darin wesentlichen Rollen weiterentwickelt.

Cluster Leads und kollegiale Rollenwahl – Warum Vertrauen und Zutrauen so wichtig ist

Unser aktuelles Organisationsmodell beinhaltet verschiedene Themencluster, wie z.B. Vertrieb, Markenkommunikation oder auch Innovation. Für diese Cluster haben wir für jeweils ein Jahr sogenannte Cluster Leads erwählt. Sie sorgen in ihrer Rolle dafür, dass nach dem Purpose des jeweiligen Clusters und im Sinne der Organisation gehandelt wird. Mit strategischem Blick wirken sie als Impulsgeber:innen und Koordinator:innen.

Die Besetzung erfolgte per kollegialer Rollenwahl*. Die kollegiale Rollenwahl ist eine Praktik aus dem Werkzeugkasten eines kollegial geführten Unternehmens. Sie ermöglicht einen einfachen Prozess, um in einer Gruppe gemeinsam eine:n Rollenträger:in zu bestimmen und bringt zusätzlich eine wertschätzende Atmosphäre in die Gruppe. Jedes Teammitglied, von Geschäftsführerin bis Werkstudentin, hat das gleiche Stimmrecht.

Unseren Kunden geben wir oft mit, dass die Methode nur für Gruppen geeignet ist, in denen bereits eine große Vertrauensbasis besteht. Wie wertvoll diese ist, haben wir in unserem eigenen Prozess gemerkt. Hier unsere Top Erkenntnisse: 

  • Ruhig etwas Zeit nehmen, denn Lernschleifen während des Prozesses sind wertvoll 
  • Wachstumschancen im Blick behalten, um nicht nur bewährte Kandidat:innen ins Spiel zu bringen 
  • Wertschätzungsfeuerwerk ist jederzeit inklusive 
  • Individuelle Chance, sich selber zu reflektieren: Wo sieht mich die Organisation? Und was will ich?  
  • Aufmerksamkeit für die Emotionen während des Wahlprozesses. Damit keine Verlierer:innen entstehen, sind hier Kommunikationskompetenz und Empathie aller Teilnehmenden gefragt  

Hand auf’s Herz: Wie ist es durch die kollegiale Rollenwahl zu gehen? 

Konstantin Gerlach (Cluster Lead Innovation) 

Bei AviloX spielt Innovation eine entscheidende Rolle, damit wir ein wertstiftender Partner für unsere Kunden sein können. Ich selber habe mich in den vergangen acht Jahren in vielen Innovationsprozessen wiedergefunden und wollte dies als Cluster-Lead weiter treiben. Aber können andere das nicht genauso gut oder „anders gut“ als ich? Darf man sich selbst wählen oder „macht man das nicht?“ „Verliere ich etwas, wenn ich nicht gewählt werde? Denken meine Kolleg:innen, dass ich nicht innovativ war/bin?“ All diese Fragen gingen mir bei und vor der Wahl durch den Kopf, und dass, obwohl ich viel zu unserer neuen Struktur beigetragen habe. Ich habe mein Ego und meine damit einhergehende Verletzlichkeit sehr deutlich wahrgenommen und ich war auch froh, dass ich gewählt wurde. ABER: in den Gesprächen danach hatte ich ein großes Bedürfnis, darüber zu reden und mir wurde klar, dass ich die Rolle im nächsten Jahr sehr gern bei einem anderen Menschen sehen würde, eben weil es für die Organisation gut ist, wenn andere Perspektiven die Chance haben, sich zu entfalten. 

Der gesamte Wahlprozess und auch die Definitionen der neuen Rollen haben es mir ermöglicht, offen über Ängste und Wünsche zu sprechen. Als Organisation haben wir damit ein ganz anderes Level an Kommunikation erlangt. 

Die Perspektive der Autorin (Anne-Katrin Hapke) 

Die kollegiale Rollenwahl stellte sich für mich als Achterbahnfahrt der Gefühle heraus. Als Generalistin, die gerne in vielen Themen mitmischt, fiel mein Name sehr häufig. Als die Rolle des Cluster Leads Vertrieb vergeben werden sollte und mein Name im ersten Wahlgang fiel, machte ich mir daher wenig Gedanken. „Klar mische ich auch bei dem Thema mit. Aber als Hüterin des Vertriebs? Die Person mit dem strategischen Vertriebshut? Da bekomme ich sicherlich nicht die meisten Stimmen.“ Ich gewann den zweiten Wahlgang. „Moment mal! Wieso ich und warum ausgerechnet in diesem Thema?“ Das Zauberwort der Stunde ist Vertrauen. Nicht nur darin, dass meine Kolleg:innen gut einschätzen können, warum sie mich an einer bestimmten Position sehen, sondern auch zu meinem Selbstbild. Ist es fehlendes Selbstvertrauen, das mir die Rolle nicht zutraut oder spricht hier mein Wunsch, mich auf andere Themen zu fokussieren? Das zu unterscheiden, bedarf ein hohes Maß an Selbstreflexion. Ich gab mir einen Tag Bedenkzeit und lehnte schließlich die Rolle ab. 

Nein zu einer kollegial gewählten Rolle zu sagen, ist alles andere als leicht. Auch hier helfen offene Gespräche, um sich klar zu werden, ob man sich die Rolle tatsächlich bloß nicht zutraut und sich so eine großartige Wachstumschance nehmen würde oder ob der eigene Fokus zurzeit einfach woanders liegt. In meinem Fall war es tatsächlich der Fokus. Die kollegiale Rollenwahl hat mir geholfen das zu erkennen und gab mir dazu noch einen wertvollen Selbstvertrauensboost. 

Haben Sie schon einmal Rollen über eine kollegiale Rollenwahl vergeben? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht? Teilen Sie gerne Ihre Erfahrungen in den Kommentaren! 

*Unsere Inspirationsquelle für die Kollegiale Rollenwahl finden Sie im Buch „Das kollegial geführte Unternehmen von Bernd Oestereich und Claudia Schröder oder auf der entsprechenden Seite:  https://kollegiale-fuehrung.de/ 

**Die Anwesenden auf dem Foto waren negativ getestet.

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Über den Autor: Isabelle Schemion