Teil 1: Working Out Loud (WOL) – wie 5 Prinzipien helfen, die New Work Falle zu überwinden

Moment: New Work als Falle?!

Erster Oktober 2015. Das war mein erster Tag bei AviloX und gleichzeitig der Eintritt in mein ganz persönliches New-Work-Selbstexperiment. Voller Begeisterung über die großartigen Themen, mit denen ich mich in Zukunft beschäftigen würde, das tolle Team, was ich schon kannte sowie die vielfältigen Möglichkeiten, wie ich meine Arbeit gestalten würde, dachte ich:

„Juhu, das kann nur gut werden! New Work kriege ich doch mit links hin!“

Doch so einfach wie ich es mir vorgestellt hatte, war „New Work“ dann doch nicht, denn es bedeutet eben auch: Sich selbst völlig neu strukturieren lernen, sehr viel bewusster mit Kollegen in Kontakt zu bleiben, um sich nicht allein zu fühlen und sehr, sehr viel mehr Selbstverantwortung für sein effektives Tun und Handeln zu übernehmen als man es in manchen klassischen Organisationen kennt. Wer New Work nur als schönen neuen Arbeitstraum sieht, fällt tatsächlich schnell in eine Falle. Die Aussage einer Kollegin hat das damals schön verbildlicht: „Jetzt bin ich hier neu im Team, habe aber das Gefühl, plötzlich als Selbstständige zu arbeiten. Das wollte ich so nie. Mir fehlt das Team um mich herum.“.

Das Gefühl, jeden Tag routiniert im Büro zu sein, ist eben ein ganz anderes als die neue Freiheit, seinen Arbeitsplatz und –ort danach zu wählen, was in den Alltag und zur Aufgabe passt. Ich fragte mich damals:

Wie komme ich am besten in so ein New-Work-Selbstexperiment rein? Was kann mich dabei leiten? Wie bleibe ich meinen Kollegen mithilfe der unterschiedlichen Online- und Offline-Kommunikationskanäle nahe – auch ohne Büro? Wie kann ich das Ziel, meine Arbeit selbstbestimmt, erfüllend und im Einklang mit dem Privatleben, erfüllen?

Was hat das alles mit Working Out Loud zu tun?

Wie der Zufall es so will, hörte ich im Sommer 2016 über ein paar Ecken von der neuen Trendmethode „Working Out Loud“ (WOL) und dass deren Begründer, John Stepper, in Deutschland sein würde, um sich mit einer (damals) kleinen Community zu dem Thema auszutauschen. WOL klang vielversprechend: Es ist etwas für jeden und nicht nur für Experten, stärkt die Selbstwirksamkeit eines jeden Einzelnen und trägt dazu bei, Beziehungen zu stärken. Alles Dinge, die aus meiner Sicht jedem Mitarbeiter und jedem Team, welches virtuell zusammenarbeitet, nur helfen können. Also machte ich mich auf den Weg nach München. Heute – nochmal ein Jahr später – möchte ich Working Out Loud nicht missen. Sowohl die Mitwirkung an WOL Circles als auch das Arbeitsleben nach den 5 zentralen Prinzipien sind unheimlich bereichernd.

Insbesondere diese 5 Prinzipien sind es, die New Work für mich zu einem Erfolgserlebnis werden lassen. Warum das so ist und wie die Prinzipien in unserem Team funktionieren, darum geht´s im Folgenden:

1. Mach deine Arbeit sichtbar! Teile deine Arbeitsergebnisse (gerne auch Zwischenergebnisse) mit dem Team

Silo-Denken, Zurückhalten von Wissen und Arbeitsständen haben bei uns keine Chance. Die oberste Prämisse gilt der Transparenz. Wir informieren uns über den aktuellen Stand zu bestimmten Themen oder Projekten, arbeiten quasi öffentlich statt anhand von E-Mail-Kommunikation an Projekten und Aufgaben. Dafür schreiben wir Nachrichten im Newsfeed der verschiedenen Gruppen, die für uns alle geöffnet sind und verlinken Dokumente, an denen wir gemeinsam und gleichzeitig arbeiten können.

Das kann in der täglichen Arbeit dabei helfen, Wissen miteinander zu teilen, Themen schnell voranzubringen und die Möglichkeit für jeden offen halten, sich den Raum für Privates zu nehmen. Beispielsweise kann ich mich auch in der Urlaubszeit darauf verlassen, dass meine Projekte und Aufgaben weiterbearbeitet werden können, da anhand des Newsfeeds nachvollziehbar ist, was in welchem Projekt aktuell ist, sodass ich nach der Urlaubszeit auch leicht und schnell wieder einsteigen kann. So gibt es bei uns kein „Melden Sie sich bitte in zwei Wochen wieder, Frau Kuko ist gerade im Urlaub.“ und ich kann erholt wieder den Staffelstab übernehmen.

2. Deine Arbeit verbessern — Querverbindungen und Rückmeldungen helfen, Deine Ergebnisse kontinuierlich zu verbessern

Wenn wir transparent im Netzwerk zusammenarbeiten und kommunizieren, passiert es bei uns ganz automatisch, dass wir uns gegenseitig aktiv um Feedback oder um einen Blick von außen bitten. Vor kurzem erst hatten wir die Situation, dass wir zu fünft einen Forschungsantrag innerhalb kürzester Zeit ausarbeiten mussten. Dabei haben wir an verschiedenen Stellen eines Dokuments und zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten gearbeitet. Lea und Domenica im Homeoffice, Regina im Zug, Lydia von unterwegs und ich vom Coworkingspace aus. Was hat uns dabei verbunden? Sich immer gegenseitig einen Stand zu geben, wo wir stehen, sich gemeinsam motivieren (es ist einfach schön, wenn sich ein Kollege gerade mit auf das Dokument schaltet und man gemeinsam arbeitet), gegenseitige Korrektur und Feinschliff-Turbos.  Innerhalb kürzester Zeit konnten wir damit den Antrag fertigstellen und waren zudem glücklich, diesen Erfolg alle gemeinsam erzielt zu haben.

3. Großzügige Beiträge leisten — biete Hilfe an, anstatt Dich großspurig selbst darzustellen

Kennen Sie das, wenn alles wieder gleichzeitig fertig werden muss und Sie im Akkord Aufgaben erledigen müssen? Wir auch! Und genau dann, wenn es besonders stressig wird, hilft uns dieses Prinzip. Das schließt ein, dass wir wachsam sind, wie die Auslastung im Team ist und uns aktiv anbieten, um das auszubalancieren. Wir behalten im Blick, was die anderen machen. Ganz oft entsteht die Situation, dass man unkompliziert und schnell einen Hinweis oder eine Hilfestellung geben kann, auf die der andere nicht gekommen wäre. Beispielsweise haben sich gerade Kati und Konstantin aus unserem Team vorgenommen, einen Moderationsleitfaden zu erstellen. Als sie sich online dazu austauschten, erinnerte ich mich an ein Video, das mir Anja einmal geschickt hatte, was den beiden nutzen könnte und teilte es mit ihnen.

4. Ein soziales Netzwerk aufbauen — so entstehen breite interdisziplinäre Beziehungen, die Dich weiterbringen

Soziale Netzwerke sind unsere große Leidenschaft und Handwerkszeug zugleich. Wir lieben es, im internen Netzwerk mit unseren Partnern zu arbeiten, gemeinsam Themen voranzubringen und dabei neue Menschen kennenzulernen. Bereichernd ist es für uns auch, in externen Netzwerken unterwegs zu sein. Ich selbst engagiere mich als Vorstandsmitglied im BITKOM Arbeitskreis Arbeit 4.0. sowie in diversen Communities rund um agiles Arbeiten im Großraum Leipzig und Dresden. Wer uns folgt, merkt auch schnell unsere Social Media Präsenz, insbesondere in Twitter und Facebook.

Warum wir das machen: Es gibt keinen besseren Weg, um Menschen schnell zu erreichen und gemeinsam Herausforderungen anzugehen. Eins unserer Herzprojekte ist beispielsweise die Initiative „Die offene Gesellschaft“, die sich für die Stärkung und Weiterentwicklung unserer Demokratie engagiert. Konkret nutzen wir unser eigenes Netzwerk, um noch mehr Unterstützer für die Initiative zu finden sowie unsere Fach- und Methodenkenntnisse, um noch mehr Menschen bei dem Thema zu erreichen und sie in Dialog miteinander zu bringen.

 

Der Aufruf zur Wahl auf unserer Facebook-Seite

 

5. Zielgerichtet zusammenarbeiten — um  das volle Potenzial der Gemeinschaft  auszuschöpfen.

Für uns sind digitale Arbeitsweisen an sich natürlich kein Selbstzweck. Sie dienen dazu, uns als Unternehmen erfolgreich zu machen, indem Kompetenzen durch transparente Zusammenarbeit effizienter und besser zusammengeführt werden. Zudem wollen wir unserem Anspruch, moderne Arbeitswelten selbst zu leben und nicht nur darüber zu sprechen, gerecht werden. Das heißt für mich persönlich, dass ich selbstbestimmt arbeiten kann und somit mehr Freiheit bei der Integration des Privaten und der Arbeit genieße. Wenn ich Lust habe, um 11:00 Uhr joggen zu gehen, weiß ich, dass im Team keiner denkt, dass ich faul bin. Zum anderen setzen wir uns bewusst damit auseinander, was funktioniert und was nicht, um die richtige Balance aus virtueller und realer Zusammenarbeit zu schaffen. Beispielsweise treffen wir uns jeden Dienstag im Basislager Coworking. Das ist unser konzentrierter Meeting-Tag, an dem wir Themen im strukturierten Rahmen persönlich miteinander besprechen. Dafür gibt es immer eine agile Agenda – so hangeln wir uns in vorher vorbereiteten 45-Minuten-Sessions von 9:00 bis 15:00 Uhr durch den Tag und schaffen dabei eine Menge.

 

 

Fazit

Arbeiten nach WOL-Prinzipien macht Spaß und macht erfolgreich, aber…

Die WOL-Prinzipien helfen uns dabei, den Einstieg in das neue Arbeiten zu meistern.  Natürlich braucht jeder neue Mitarbeiter bei uns trotzdem Zeit, um in dieser Arbeitsweise anzukommen, insbesondere wenn man viele Jahre in einer klassischen Organisation gearbeitet hat. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, wie er sich selbst organisieren und motivieren kann, auch ohne seine Kollegen und Vorgesetzten jeden Tag zu sehen.

Wer so virtuell zusammenarbeitet wie wir, ist trotz bester Absichten nicht davor gefeit, auch hin und wieder Missverständnissen zu unterliegen. Wir haben gelernt, solche Situationen bzw. Störungen zu erkennen, ein Gefühl zu entwickeln, wann es einer Klärung bedarf und wie man durch einen Anruf oder ein persönliches Gespräch Konflikte oder Missverständnisse auflösen kann.

Unser wichtiges Learning ist: es reicht nicht, dass jeder einfach nur für sich allein die Erfahrungen mit New Work macht. Gemeinsame Reflektionen sowie das ständige Austarieren und Weiterentwickeln vorhandener Prinzipien, Prozesse und Strukturen sind der Schlüssel für eine Arbeitswelt, die erfolgreich und zufrieden macht.

Habe ich die New Work Falle für mich gelöst?

Und was haben New Work und WOL für mich persönlich bewirkt? Nach nur 2 Jahren dieser Art der Zusammenarbeit fühle ich mich bei AviloX schon wie ein alter Hase. Ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, anders zu arbeiten. Das Wissen, dass ich meine Arbeit so gestalten kann, wie und wann ich will und inzwischen mithilfe von WOL gelernt habe, was ich beitragen kann und möchte, macht mich entspannt und glücklich. Von dieser Grundhaltung profitieren nicht nur meine Kollegen, sondern auch das private Umfeld. Das wichtigste Prinzip dabei ist für mich der Aufbau des persönlichen Netzwerks. Hierbei freue ich mich, dass ich bei AviloX frei bin, im Rahmen der Arbeitszeit Menschen kennenzulernen und mich auszutauschen, ganz ohne dass mich jemand fragt: „Wie, du warst schon wieder auf einer Konferenz? Und, was hat es dir gebracht?“. 

Ich bin der Überzeugung, dass die Investition in Beziehungen – ohne gleich eine Gegenleistung zu erwarten – sehr wichtig ist, nicht nur für Unternehmen, sondern auch Individuen. Zum einen macht es einfach Spaß, neue Perspektiven durch Begegnungen zu erhalten, zum anderen entsteht so ein Umfeld und manchmal sogar eine Gemeinschaft mit Menschen, wo Empathie und gegenseitige Unterstützung selbstverständlich werden. Das ist die Arbeitswelt, die ich mir für mich selbst und für andere wünsche.


2 Comments

  1. Denny Kondic 11. November 2017 at 11:17 - Reply

    Ein sehr schöner Artikel über die 5 Prinzipien von WOL Methode. Für mich die beste Darstellung die ich bis jetzt gefunden habe, Danke dafür!

  2. […] John Stepper sie entwickelt hat. Relevanter ist aber sicherlich, hinter die Methode zu schauen und sich mit den Prinzipien zu beschäftigen. #WOL und die Circle-Methode ist nur ein Weg nach Rom. Das sollten wir nicht außer Acht lassen. […]

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